Mich hat die Lektüre des Buchs "Stadt, Land, Überfluss
- Warum wir weniger brauchen als wir haben" von Jörg Schindler intensiv
zum Nach- und Umdenken bewegt, gerade das Kapitel "Immer atemloser -
Kommunikation. Warum uns eine Stunde ohne Handy beinahe um den Verstand
bringt."
Inzwischen wächst der Datenbestand bei Youtube in jeder
Minute um mehr als 60 Stunden Bildmaterial. Natürlich sind da viele nützliche
Tutorials dabei, doch wenn ich sehe, wie sich erwachsene Menschen gegenseitig
Videos von über ihre Füße fallende Hunde zeigen und von Katzen, die gegen
geschlossene Fliegengittertüren prallen, werde ich schon nachdenklich.
Umsomehr, wenn Kinder sich mit dem gleichen Glitzern in den Augen Gewaltvideos
zeigen.
Quelle: www.fb-kunst.de/ |
Auch bei Facebook werden täglich mehr als 3 Milliarden
Likes und Kommentare gepostet. Inzwischen
bemessen Kinder und Erwachsene ihre Anerkennung immer stärker an der Anzahl für
Einträge erhaltener Likes. Ich frage mich, ernsthaft, welche Gesellschaft der
Umstand künftig schaffen wird, dass eben in der Regel nicht der durchdachteste
Post die meisten Likes bekommt, sondern der selbst schlichte Gemüter
erhellendste. Wenn die meiste Anerkennung nicht der bekommt, der eine gut
recherchierte Kurzabhandlung über nachhaltiges Wirtschaften postet, sondern der
der Hundewelpenvideos postet.
Hinzu kommt, dass Niemand, der sein Nachrichtenbedürfnis
über Facebook zu befriedigen glaubt, „zufällig etwas über den Klimawandel in
Kiribati, Frauenrechte in Indien oder Tauschbörsen in Castrop-Rauxel erfahren“ wird. Stattdessen wird sie oder er genau das bekommen, was der
Facebook-Algorithmus vorgibt und zuvor durch die eigenen Likes immer stärker
definiert wurde. Probiert es aus! Besucht mal Eure abonnierten Seiten und
prüft, welche Statusmeldungen tatsächlich bei Euch erschienen sind.
„Der denkbare Effekt ist nicht zu unterschätzen. Wer etwa
-wie der norwegische Massenmörder Anders Breivik- glaubt, alles Böse der Welt
gehe vom Islam aus, der wird in modernen Kommunikationsmedien unzählige Beweise
dafür finden, denen weitere Belege folgen - ungetrübt von Einwänden oder
Gegenargumenten."
Facebook könnte da im wahrsten Wortsinne entscheidende
Schützenhilfe leisten.
Allein die deutschen Internetnutzer rufen monatlich rund
150 Milliarden Websites auf, was rechnerisch 2.600 pro Surfer entspricht. Das
sind 86 Seiten pro Tag. Mal optimistisch angenommen, dass diese 86 Seiten nicht
nur bebildert sind, sondern auf ihnen auch Text zu lesen ist, dann sind das bei
angenommenen zwei Minuten Verweildauer fast drei Stunden Zeit. Wer soll denn da
noch Zeit finden, RTLs Junglecamp konzentriert zu verfolgen? Daneben finden die
Deutschen allerdings auch noch die Zeit, knapp zehn Milliarden Videos
anzuschauen. Kein Wunder, dass ein Viertel der Deutschen das Internet täglich
privat auf der Arbeit nutzen muss. Allein für Facebook im Schnitt zweieinhalb
Stunden pro Woche, umgerechnet ein Verlust von 26,8 Milliarden
Euro pro Jahr allein in Deutschland. Es mag kausal etwas vereinfacht
dargestellt sein, aber bei der nächsten Preiserhöhung wo auch immer empfiehlt
es sich vielleicht, nicht darüber zu posten.
Vielleicht sollten wir eher über solche Dinge reden,
face-to-face statt face-to-facebook! Vielleicht lernen wir dann wieder,
konfliktfrei miteinander zu kommunizieren und
wie man ohne Smiley spricht. Ich möchte nicht wissen, wie viele Streits
allein deshalb entstehen, weil der Empfänger die 140 Zeichen der Nachricht
fehlinterpretiert hatte. Ich kenne ein Paar, das als erstes daran erkennt, dass
der Partner verstimmt ist, wenn die
Smileys fehlen. „Über WhatsApp werden mittlerweile rund 31 Milliarden
Kurznachrichten täglich verschickt - macht rechnerisch über vier pro
Erdbewohner. Wobei diese Rechnung allein schon deshalb krumm ist, weil fünf
Milliarden von uns leider noch ohne Internet in Burkina Faso oder Laos
rumsitzen und deshalb draußen bleiben müssen."
Muss es soweit kommen, dass inzwischen auch bei uns die ersten
DIGITAL DETOX CAMPs stattfinden müssen? Dabei handelt es sich um
Offline-Retreats mit Seminar- und Workshopcharakter für digitale Vielnutzer,
die unter den Folgen von Informations-Overload leiden oder schon erste
Anzeichen von Internetabhängigkeit bei sich wahrnehmen. Im Camp wird DIGITAL
DETOX als Lifestyle in einen größeren Zusammenhang gesetzt. So gehen die
sinnvolle Nutzung von digitalen Geräten und bewusstes Ernähren Hand in Hand.
In diesem Sinne: Click
me Baby one more Time!
1 Kommentar:
Klasse Bericht! Um sich wirklich all das Beschriebene detailliert zu verinnerlichen, muss man sich die Texte immer wieder gezielt durchdenken und auch weiter über den so genannten "Tellerrand" schauen. Michael Broda
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