Sonntag, 12. Juli 2015

Eintrag #6 – Wie es dazu kommt, dass wir unsere Plastikabfälle über Umwege auf den Teller bekommen - und was wir dagegen tun können

Ein Freund machte mich auf einen Artikel in der „Zeit“ (Ausgabe 26/2015) aufmerksam. Auf diesem basiert dieser Eintrag.


Ein Biologe findet am Nordseestrand zwei verendete Eissturmvögel und seziert diese. Das Ergebnis der Obduktion ist deshalb so interessant, weil alles, was diese Vögel fressen, aus dem Meer stammt. Im Magen der Vögel befinden sich kleine Nylonfäden, Styroporstücke, Schaumstoff, dunkelgrüne Kunststoffsplitter und Fetzen von Folie. Die beiden Tiere sind nicht verhungert, weil ihre Mägen leer waren, sondern weil keine Nahrung mehr hineinpasste, echte Nahrung. Sie fraßen das unverdauliche Plastik, weil sie es für Beute hielten.

Studien haben ergeben, dass 97 Prozent aller Eissturmvögel in der Nordsee Plastikmüll im Magen haben. Könnte dies damit zusammen hängen, dass heute pro Jahr 300 Millionen Tonnen Plastik weltweit pro Jahr produziert werden (in 1950 waren es eine Millionen Tonnen)?

Auf den Weltmeeren befinden sich schwimmende Mülldeponien, die eine schier unglaubliche Größe haben. Sie treiben unentwegt hin und her – in Gang gehalten von Wind und Erdrotation. Auch in der Deutschen Bucht taucht immer mehr Müll auf. Wie kann das sein? Unser Müll landet doch auf der Mülldeponie bzw. im Recyclingprozess…

Die Nordsee enthält mittlerweile 700.000 Kubikmeter Plastikmüll. Man kann sich noch erklären, wie Müllstrudel im Pazifik entstehen, weil Anrainerstaaten wie China ihren Abfall seit Jahrzehnten ins Meer werfen. Alleine China entsorgt jedes Jahr zwischen 1,3 und 3,5 Millionen Tonnen Kunststoff im Pazifik. Vielleicht ein Grund, um wieder mal über Produkte „Made in China“ nachzudenken? Wie aber kommt das Plastik in die Nordsee?

Ein erster Ansatz liegt in der Haltbarkeit von Plastik:
  • Eine Einkaufstüte schwimmt 10 bis 20 Jahre lang im Meer, bevor sie vollständig   zerrieben ist
  • Ein Styroporbecher braucht 50 Jahre, um zu zerbröseln
  • Eine PET Flasche zerfällt erst innerhalb von 450 Jahren
 Dies liefert vielleicht schon einmal den Ansatz, dass uns die Müllsünden der Vergangenheit noch lange Zeit einholen werden…



Ein weiteres, großes Problem sind Fasern von Synthetikstoffen und winzige Plastikpartikel (Mikroplastik). Ein Kleidungsstück aus Synthetikstoff verliert pro Waschgang bis zu 1.900 Fasern. Viele Kosmetika –vom Duschgel bis zur Bodylotion- enthalten winzige Plastikpartikel. Solche Fasern und das Mikroplastik gelangen über das Abwasser unserer Haushalte in die Flüsse, von den Flüssen in die Meere, von den Meeren in die Tiere (Vögel, Seehunde, Robben, Wale, zahlreiche Fischarten), und über die Tiere auf unsere Teller – sofern wir keine Veganer oder Vegetarier sind. Wie wäre es mit einem Fischfilet à la Mikroplastik?

„Jedes Mal, wenn eine Jacke, eine Hose, ein T-Shirt aus Kunstfasern gewaschen wird, werden ein paar Fussel abgerieben, winzige Teilchen von Plastikfäden. Nach einer Studie von Wissenschaftlern mehrerer angelsächsischer Universitäten verliert ein Kleidungsstück aus Kunstfasern bei einem einzigen Waschgang bis zu 1900 Fasern. Auch Wollpullover und Baumwollhemden verlieren Fasern, nur sind diese biologisch abbaubar. Die Kunststofffasern aber bleiben, auch wenn sie niemand sieht.“

Wir –als mündige Konsumenten- haben einen großen Einfluss auf die Herstellung der Produkte, die wir kaufen – wir müssen ihn nur geltend machen. Wie machen wir das? Vorschlag: ich verrate Euch, in welchen Produkten welcher Hersteller Mikroplastik beigemischt wird, und Ihr kauft es nicht mehr! Oftmals enthalten Shampoos, Puder, Gesichtsreiniger, Lippenstifte, Bodylotions, Duschgels und Sonnencremes Mikroplastik. Wir schmieren uns das Plastik auf die Haut, wir waschen es ab, und so gelangen die Partikel ins Abwasser.

„Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat einen Einkaufsratgeber veröffentlicht, in dem er Kosmetika aufzählt, die Mikroplastik enthalten. 643 Produkte stehen auf der Liste und fast alle bekannten Markennamen: Avon, Balea, Clinique, Garnier, L’Oréal, Nivea, Shiseido, The Body Shop, Vichy, Yves Rocher. Der Ratgeber wurde schon über 400 000-mal aus dem Internet heruntergeladen, sagt Nadja Ziebarth, die Meeresschutz-Beauftragte des BUND.“

Hier der Link zu dem Ratgeber: www.bund.net/mikroplastik-liste

Als Reaktion auf diesen öffentlichen Pranger haben mehrere Produzenten ihre Zusatzstoffe geändert. Beispielsweise setzen die Zahnpasta-Produzenten mittlerweile keine Plastikkügelchen mehr ein. Ach ja – Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Plastikpartikel eine interessante Eigenschaft haben: sie reichern sich im Wasser mit den dort vorhandenen Schadstoffen an – diese bleiben somit wie Kleber an ihnen haften. An solchen Mikroplastikteilchen wurden Gifte wie DDT, PCB und PAK gefunden – allesamt krebserregend.
Guten Appetit.
http://www.bund.net/mikroplastik



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