Wetterauer Zeitung vom 3.8.2015 |
Als vor
kurzem ein Redakteur der Wetterauer
Zeitung bei mir anrief, um einen Artikel über meine Erfahrungen im
Plastik-Sparen zu schreiben, war ich überrascht und geschmeichelt zugleich. Ein
paar Tage später sollte mein Vortrag in Friedberg stattfinden, und meine
Erwartungshaltung war lediglich, dass in der Lokalpresse ein kurzer
Veranstaltungshinweis gedruckt würde.
Wir trafen uns an einem Montagabend bei bestem Sommerwetter bei mir im Garten, er schaltete sein Handy als Diktiergerät ein und wir plauderten eine knappe Stunde über Plastik in der Umwelt, in der Nahrung und im Körper. Heraus kam ein wirklich schöner Artikel, der viel Resonanz brachte, positive wie auch kritische.
Einige der kritischen Stimmen möchte ich hier im Blog beantworten, da ich sie für interessante Denkanstöße halte.
Wir trafen uns an einem Montagabend bei bestem Sommerwetter bei mir im Garten, er schaltete sein Handy als Diktiergerät ein und wir plauderten eine knappe Stunde über Plastik in der Umwelt, in der Nahrung und im Körper. Heraus kam ein wirklich schöner Artikel, der viel Resonanz brachte, positive wie auch kritische.
Einige der kritischen Stimmen möchte ich hier im Blog beantworten, da ich sie für interessante Denkanstöße halte.
Ist es nicht interessant, dass die
rasante Verlängerung der Lebenszeit von Menschen in die gleiche Zeit fällt, in
der die Kunststoffe sich auf allen Ebenen ausgebreitet haben?
Ich spreche
dem Kunststoff u. a. in der Medizin in keiner Weise seinen Nutzen ab. Auch
spreche ich Kunststoffrohren gegenüber Bleirohren zum Wassertransport einen
definitiv geringeren lebensverkürzenden Charakter zu, doch aus einer
Korrelation einen Kausalzusammenhang abzuleiten ist ein logischer Fehler, denn
andere Faktoren, wie die Reduktion körperlichen Stresses, bessere medizinische
Versorgung, bessere hygienische Bedingungen und eine bessere Ernährungssituation
haben ebenfalls eine Anteil daran, dass sich die Lebenserwartung seit
Jahrzehnten erhöht. Ohne Plastik wäre vieles nicht möglich, doch sich durch den
Verdienst in einigen Bereichen einen Freibrief zum gedankenlosen Umgang mit Plastik
und Plastikmüll auszustellen, wäre über das Ziel hinausgeschossen. Nur weil Skorpiongift
bei Gehirntumoren hilfreich ist, halte ich mir dennoch keine Skorpione als
Kuscheltier im Haus.
Die PET Flasche gibt minimal
Acetaldehyd ans Getränk ab. Mit einem Apfel isst Du die 100fache Menge von dieser
natürlichen Substanz. Aber: Dir ist das zu gefährlich? Iss bloß keinen Apfel
mehr!
Plastikverpackungen
geben eine Reihe von bedenklichen Stoffen an die Nahrung ab: Bisphenol A, Phtalate
und auch Acetaldehyd sind einige dieser Stoffe. Grenzwerte wurden für die
Genannten von der EU festgelegt, über die hinaus kein Übertrag der Umverpackung
an die Nahrung stattfinden darf. Diese Grenzwerte bestehen einerseits aufgrund
der potentiell hormonellen, karzinogenen bzw. leberschädigenden Wirkung und
andererseits aufgrund der uneindeutigen Human-Studienlage, will sagen: Die EU
und das BfR gehen auf „Nummer Sicher“. Ich kann nichts Schlechtes daran
erkennen, bestrebt zu sein, möglichst wenig davon aufzunehmen. Was den
natürlichen Gehalt in Obst und Gemüse angeht, schreibt das BfR: „Bei der
Messung des Acetaldehydgehalts von Lebensmitteln lässt sich nicht beurteilen,
ob die gefundenen Gehalte auf ein natürliches Vorkommen oder auf einen Zusatz
zurückzuführen sind.“ (Gesundheitliche Bewertung von
Acetaldehyd in alkoholischen Getränken, aktualisierte Stellungnahme Nr.
022/2010 des BfR vom 04. Mai 2010). Insofern mögen nicht verarbeitete Äpfel ein anderes
Ergebnis mit sich bringen als beispielsweise verarbeitete Apfelsäfte. Gärstoffuntersuchungen
beim Apfel sprechen eher dafür, dass der Gärprozess
bei der Lagerung von Äpfeln Acetaldehyd entstehen lässt. Darüber hinaus
darf auch das Zusammenspiel mit weiteren sekundären Pflanzenstoffen (Flavonide,
Vitamin E, Antioxidantien), die eine senkende
Wirkung auf den Acetaldehydspiegel haben, nicht unberücksichtigt bleiben.
Mineralwasser aus PET-Flaschen beinhalten im Gegensatz zu Obst und Gemüse
definitiv keine Stoffe, die die mögliche Schadwirkung des Acetaldehyds
auszugleichen vermögen. Insofern halte ich den Verzehr von Äpfeln für
unkritisch. „An apple a day, keeps the doctor away“ wird wohl weiterhin Devise
bleiben dürfen ;-)
Die Blechdosen (für Getränke)
enthalten eine Innenbeschichtung aus Kunststoff. Warum wohl: Das Blech und
seine von Nahrungsmitteln herausgelösten Bestandteile erscheinen den
Gesundheitsbehörden gefährlicher als die Beschichtung mit wenige ppm Bisphenol
A enthaltende Epoxiharze. Und Glas setzt Stoffe an Getränke frei, über die man
sich im Internet informieren kann.
Die
Kunststoffbeschichtung dient als Korrosionsschutz und nicht dazu, vor noch
gefährlicheren Stoffen als Bisphenol A zu schützen. Ganz gleich jedoch, vor
welchen Stoffen mehr Schutz nötig ist, auch Blechdosen vermeide ich. Nicht nur
wegen der Plastikbeschichtung. Heutzutage ist es schlichtweg mehr nötig,
Nahrungsmittel in Dosen zu erwerben. Warum sollte ich beispielsweise
Dosengemüse kaufen, wenn ich das Gemüse auch unverpackt auf dem Bauernmarkt
oder selbst im Supermarkt erwerben kann? So muss weder eine Dose hergestellt,
noch recycelt werden, und ganz gleich welcher Giftstoff woher auch immer kommen
mag, zu mir kommt er nicht.
Dass Glas
Stoffe an Getränke freisetzt, konnte ich nirgendwo im Internet recherchieren, jedoch das
Gegenteil.
Die Verbrennung von 5.000 Tonnen Müll,
der von allen Kunststoffen mühsam befreit worden ist, ergab an der Hamburger
Müllverbrennungsanlage Stellinger Moor die gleichen Dioxin-Emissionen wie
normaler Müll mit allen Kunststoffen. Deshalb hat heute jede MVA eine spezielle
Reinigungsstufe dafür. Dioxinschleudern sind heute dagegen die
Elektroschmelzwerke für Eisen und Stahl – also das Eisenrecycling.
Richtig, in
Deutschland sind Dioxine, Furane und andere Giftstoffe durch die gesetzlich vorgeschriebene
Filterung ein geringeres Problem als noch vor einigen Jahren. Das funktioniert so gut,
dass Deutschland sogar fremden Müll
importiert, um
ihn zu verbrennen. Das ist fragwürdig, wirft es nämlich die Frage auf, welchen
Stellenwert das Recycling künftig erhält, wenn Verbrennen so lukrativ ist und
wir bereits jetzt mehr Müll verbrennen als wir entstehen lassen. Doch auch die
Verbrennung hinterlässt Rückstände (Schlacke, Flugasche und Filterstäube), die
dann als Baumaterial oder Bergversatz „entsorgt“ werden. Das Problem wird also
letztlich nur verlagert. Ganz davon abgesehen, ist der Filterprozess energie-
und resourcenaufwändig. Besser wäre es doch, den Müll so weit wie möglich gar
nicht erst entstehen zu lassen, denn wenn nichts zu verbrennen da wäre, gäbe es
gar nicht erst die Notwendigkeit, Schadstofffilter nutzen zu müssen; ganz
gleich ob es Plastik- oder Restmüll ist. Die Menge macht’s.
Schon die alten Griechen und Ägypter
nutzten das Harz des Styrax Liquidambar Orientalis, eines Strauches, der im
Mittelmeerraum wächst. Es enthält jede Menge Styrol, das im Sonnenlicht und bei
Wärme zu hartem Polystyrol polymerisiert. Aus dem Harz des Styrax-Strauches
wurden Schmuckstücke hergestellt und die Salben für die Einbalsamierung der
ägyptischen Pharaonen und die Wundsalben des Mittelalters und --- ein
großer Sprung ---- die Joghurtbecher von heute. Erdöl, Kohle und
Gas sind das Ergebnis untergegangener Wälder, deren natürlich enthaltene
Stoffkomponenten können wir heute trennen (in den Erdölraffinerien) und zu den
fälschlicherweise so bezeichneten „Kunststoffen“ polymerisieren. Eigentlich ist
das alles nur ein zeitgeschichtliches Recycling. Das unglückliche Wort
Kunststoff verleitet dazu, alle daraus hergestellten Erzeugnisse als
unnatürlich, schädlich, anzusehen.
Da widerspreche
ich, wenn Plastik seine Unnatürlichkeit abgesprochen werden soll. Erdöl war kein
Teil des natürlichen Kreislaufes mehr. Alles Erdöl war tief in den unteren
Erdschichten verborgen, bis wir es zu Tage förderten, es uns in hochkomplexen
Prozessen dienbar machten und es so für hunderte von Jahren wieder in die
Umwelt einbrachten, verbunden mit unzähligen teils
toxischen Stoffen,
die die Natur nie von selbst hervorgebracht hätte. Wir hätten heute kein CO2-Problem durch die Verbrennung
von Plastikmüll,
wenn all der Kohlenstoff noch gebunden im Erdöl in den Tiefen lagern würde. Und
wir hätten keine 269 Millionen Tonnen Plastikmüll im
Meer.
Der Plastikmüll in den Meeren stammt
doch überhaupt nicht aus Deutschland. Was bringt es, wenn wir Müll reduzieren
und andere Länder ihre Müllberge weiter vergrößern?
Es stimmt,
dass gerade der Müll in den Meeren mehrheitlich nicht aus Europa stammt. Es
sind zumeist die afrikanischen und asiatischen Küstenländer, die für die bis zu 13 Millionen Tonnen Müll
verantwortlich sind, die jährlich in den Meeren landen. Andererseits haben wir
mit einem Pro-Kopf-Abfallaufkommen von 617 kg im Jahr 2013 einen unrühmlichen
vierten Platz unter den 28 europäischen Staaten und liegen fast 30 % über dem
Mittelwert. Auch wenn wir die Meere nicht direkt belasten, haben wir doch
einiges an Verbesserungspotential.
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