Dienstag, 28. Februar 2017

Fünfundsechzigster Schritt: Einfach mal immer wie auf Camping

"Plastikfrei Kaffetrinken? Tu ich doch. Ist doch ein Pappbecher!", dachte ich lange Zeit. Warum ich mir nie Gedanken machte, weshalb meine Paketlieferungen, die der Paketbote (vermutlich aus purer Gemeinheit) stets in den Regen stellt, wenn ich nicht da bin, durchgeweicht sind und von mir in Stücken rein getragen werden müssen, aber der Coffee-to-Go-Becher stundenlang erst heißen, dann kalten Kaffe aufbewahren kann, ohne auch nur einen Tropfen ungewollt zu verlieren, weiß ich nicht. Ist wohl auch gewollt, dass man sich als Konsument eines guten Gewissens sicher sein darf. Unwissenheit ist manchmal etwas "Tolles". Tatsächlich besteht so ein Becher zu 5% aus einer innenwandigen Kunststofffolie, meist aus Polypropylen (PP). Die potentiell gute Nachricht: Landete der Becher im Gelben Sack, könnte der Papieranteil aufgelöst werden (ja, durch Wasser) und das PP recycelt werden. Die schlechte Nachricht ist: Die meisten Becher landen nicht im Gelben Sack, sondern im Restmüll, wo sie zur Energiegewinnung in Müllverbrennungsanlagen verbrannt werden. Die noch schlechtere Nachricht ist: Selbst wenn sie im Gelben Sack landeten, würde die Hälfte davon dennoch verbrannt. Das ist zwar kein Grund, den Müll nicht zu trennen, denn immerhin wird die andere Hälfte recycelt. In dieser Hälfte sind mit hoher wahrscheinlich rohstofflich reine "Abfälle". Ein mit Energieaufwand zunächst zu trennender Verbundstoff wie ein Einwegbecher ist vermutlich ein Kandidat, der eher gänzlich für die Verbrennung aussortiert würde. Wohlgemerkt sind sowohl Papier als auch PP recyclingfähig und mit der Verbrennung unrettbar für den Wertstoffkreislauf verloren. Der beste Weg ist daher, den Müll gar nicht erst entstehen zu lassen. Und wie? 
Eine für mich sehr hübsche Methode bedarf einer kurzen Vorgeschichte zur Erläuterung. Ich hasse Camping. Nichts gegen die Natur, in der ich mich wirklich sehr gerne aufhalte. Alle die schönen Geräusche: Das Knacken der Äste, das Rascheln von kleinen Nagerfüßlein im trocken Laub, all die Rufe der liebreizenden tierischen Waldbewohner ... stören mich nachts im dünnwandigen Zeit so sehr, dass ich selbst auf Festivals entweder im Wohnmobil oder im Hotel bin. Bah! Doch wer nie Campen war, kann nicht mitreden. Ich campe daher zu jeder Zeit zumindest materiell ein wenig. In der Lite-Variante, aber dafür ununterbrochen. Wenn ich weiß, dass ich unterwegs Kaffee trinken werde, führe ich in meiner Umhängetasche meinen Camping-Thermobecher mit, also beispielsweise auf Poetry-Slam-Tour, wenn ich lange per Bahn oder Auto unterwegs bin. Statt den "Pappbecher" im Bahnhof oder an der Tankstelle füllen zu lassen, verwende ich meine nachhaltige Alternative. Und der Kaffee bleibt dann auch länger heiß!
An dieser Stelle stelle ich gleich mein Camping-Besteck mit vor, das ich tatsächlich immer dabei habe. Ich liebe die Blicke an den Imbissbuden, wenn ich Plastik- oder im besseren Fall Holzspießchen und -gäbelchen ablehne, um damit zu essen, und ich freue mich darauf, irgendwann einen zweiten Menschen mit eigenem Besteck zu treffen. Vielleicht können wir dann die Logos der ebenfalls mitgeführten gebrauchten Papiertüten vom Bäcker vergleichen wie andere ihre exponierten Chronographen!


Wenn ich es vermeiden kann, trinke ich meinen Kaffee nicht unterwegs, sondern am liebsten zuhause oder im Büro, wo ich Zeit habe, den Kaffee auch vernünftig zuzubereiten und in Ruhe zu genießen. Was 5.000 Kilometer zu uns unterwegs ist, sollte auch als Genussmittel wahrgenommen werden. Für zuhause habe ich mir wieder mal etwas geleistet: Einen Filteraufsatz aus Porzellan für die Tasse. Es ist mir nämlich zu arbeitsaufwändig, immer die Ein-Liter-Frenchpress zu reinigen, wenn ich nur eine einzige Tasse trinken möchte. Für den Filteraufsatz hatte ich bei meinen Eltern noch einen ungenutzten Dauerfilter aus Nylon gefunden, den ich anstelle von Einmalfilter aus Papier nutze. So fällt tatsächlich nur der Kompost durch meinen umverpackungsfrei erworbenen Kaffee an. Im Frühling wird er mit Pflanzerde vermischt und als Dünger für meine Gemüsepflanzen auf der Terrasse genutzt.
Für den Becher zuhause, ebenso wie für den Becher für unterwegs, gilt jedoch folgendes: Wenn ich ihn nach der Nutzung immer in die Spülmaschine stecke, vernichte ich die vorteilhafte Ökobilanz, wie eine niederländische Studie festgestellt hat. Die gute Nachricht ist, einfach nur einmal die Woche statt nach jeder Nutzung in den Geschirrspüler damit und die restlichen Tage schlicht mit Wasser ausspülen, und alles ist gut.  
Warum trinke ich meinen Kaffee am liebsten selbst zubereitet? Nun, er darf nicht mit Wasser überbrüht werden, das heißer ist als 94 Grad, sonst lösen sich die Bitterstoffe heraus. Auch darf das Wasser nicht kälter als 84 Grad sein, da sich die Aromen sonst nicht herauslösen. Der Mahlgrad des Pulvers für die Frenchpress muss grob sein, der für die manuelle Filterung mittel, für Mokka aus der Mokkakanne fein, aber nicht zu fein. 20 Gramm Pulver pro großer Tasse (drittel Liter) mit dem Porzellanfilter, 40 Gramm für den Liter in der Frenchpress. Erklär das mal an der Tankstelle!

Heute ist übrigens meine zweiwöchentliche Kolumne in der Wetterauer Zeitung gestartet. Blogeintrag und Kolumne drehen sich immer um das gleiche Thema und erscheinen parallel. Es gibt also nun alle zwei Wochen dienstags auch einen neuen Blogeintrag, der das Thema der Kolumne etwas vertieft. Hat sie jemand gelesen? Ich freue mich über eure Kommentare hier im Blog oder auf Facebook.


2 Kommentare:

Nadine hat gesagt…

Ich weiß nicht jeder mag kalten Kaffee, aber: schon mal Cold Brew Kaffee probiert?

Andreas Arnold hat gesagt…

Gibt es im Tasty Donuts in Frankfurt an der Eschersheimer Landstraße. Noch nicht getestet. Gut? Soll süßer, sirupartiger sein und wenig mit heißen Kaffee gemein haben.